Dienstag, 14. August 2007

Der Kameramann vor Ort ist kein Bösewicht



http://www.youtube.com/watch?v=zEm_Sfmwkhk
Video "Unfall mit Bahn" von "Hit-TV.eu" bei "Youtube"

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Interview mit Heiko Richter, zusammen mit Jana Lohs einer der Macher des Internetfernsehsenders „Hit-TV.eu“ - http://hit-tv.eu -, in Zwickau (Sachsen)













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Frage: Herr Richter, Sie arbeiten für „Hit-TV.eu“ auch als Kameramann und produzieren vor allem so genannte „Blaulichtnachrichten“ über Unfälle und Verbrechen mit Todesfolge oder Schwerverletzten. Müssen Sie dabei bestimmte Anstandsregeln beachten oder zeigen sie alles?

Antwort: Die Arbeit als News Reporter wird in der Öffentlichkeit oftmals sehr negativ wahrgenommen. Das Bild ist in den Köpfen durch Spielfilme falsch gezeichnet. Nicht gerade hilfreich waren vor einigen Jahren die Berichterstattungen um den Tod von Prinzessin Diana. Alle damals festgenommenen Journalisten wurden zwar wieder freigelassen und die Verfahren eingestellt. Es ist inzwischen auch erwiesen, dass die ersten Reporter ca. eine Minute nach dem Unfall im Tunnel waren und die Rettungsarbeiten nicht behindert hatten. Doch der Generalverdacht bleibt hängen. Die Wahrheit und die Hintergründe erscheinen dann nicht tagelang auf den Titelseiten der Zeitungen, wie die ungerechtfertigten Anschuldigungen und die Vorverurteilungen.
Genauso wenig oder soviel, wie ein Kriminalbeamter mit dem Filmermittler zu tun hat, ist das auch bei den Berichterstattern im Film und in der Wirklichkeit.
Bei uns, es kann in anderen Regionen anders sein, ist es so, dass es klare Vereinbarungen zwischen den Einsatzkräften und den Berichterstattern gibt. Ich würde niemals unabgedeckte Tote drehen, niemals Notärzte bei der Behandlung von Wunden oder Verletzte in Nahaufname zeigen und Autokennzeichen werden bei mir prinzipiell gepixelt. Da die Polizei weiß, dass ich seriös an Einsatzstellen arbeite, habe ich natürlich auch im Rahmen der Möglichkeiten die Freiheit, meiner Tätigkeit nachzugehen, solange ich mich nicht selbst in Gefahr begebe.

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Frage: Wie gut arbeiten Sie als Kameramann mit Polizei, Feuerwehr und Sanitätern zusammen?

Antwort: Ich kann, wie erwähnt, nur für meine Person sprechen. Die Kräfte der Polizei, der Feuerwehr und des Rettungsdienstes, die mich kennen, wissen dass eine Berichterstattung wichtig ist, wenn sie journalistisch korrekt gemacht ist. Es gibt jedoch einige Problematiken.
Einerseits sind es Kollegen, oftmals aus dem Regionalbereich, die selten mit Unfällen und Katastrophen konfrontiert sind und auch die Regeln nicht kennen. Diese meinen dann, sie müssten die blutrünstigsten Sensationsbilder machen und stören auch oftmals die Einsatzkräfte und wundern sich, dass sie dann zurecht gewiesen werden. Von solcher Art Journalismus distanziere ich mich ausdrücklich und es kommt schon vor, dass ich auch solche Leute anspreche und versuche, sie aufzuklären. Außerdem, kein seriöser deutscher TV-Sender würde diese Bilder zeigen. Letztendlich schaden diese Leute auch meiner Tätigkeit.
Kompliziert ist auch manchmal das erste Zusammentreffen mit kleinen Freiwilligen Feuerwehren, die bisher noch nicht mit dem Thema Berichterstattung zu tun hatten. Diese gehen oftmals von dem "Filmbild des Paparazzi" aus und denken, dass die Journalisten immer die "Feinde" sind. Oftmals half ein klärendes Wort der Polizei und bei der zweiten oder dritten Begegnung an der Einsatzstelle merken sie dann, dass man nicht der "Böse Sensationsreporter" ist. Inzwischen gibt es viele gute Bekanntschaften bei den Feuerwehren. Letztendlich profitieren sie auch von den Darstellungen. So konnten beispielsweise Sparpläne bei denn Freiwilligen Feuerwehren mit filmischen und bildlichen Nachweisen ihrer Tätigkeit abgewendet werden.
Am negativsten empfinde ich allerdings, vor allem im Bereich von großen Verbrechen, wenn Fernsehteams "von Außen" in die Region kommen. Diese haben für bestimmte Sendungen den Auftrag, das Thema in einer speziellen Richtung darzustellen. Dies hat dann oberste Priorität, koste es was es wolle, und es werden sämtliche Tricks angewendet, das vorgefasste, vorgegebene und fertige Ergebnis zu erreichen. Diese Kollegen hinterlassen verbrannte Erde, ihnen ist es egal, was mit den Leuten passiert, denn sie sind am nächsten Tag an einem anderen Ort. Gängige Praxis ist es z. B. ellenlange Interviews zu machen und dann einen 15 Sekunden-Nebensatz, der den Sachverhalt wie gewünscht in ihrem Sinn darstellt, zu senden, obwohl der Befragte eine ganz andere Meinung insgesamt dargestellt hat. Berühmt-berüchtigt sind vor allem die TV-Teams der gleichnamigen TV-Sendung eines politischen Wochenmagazins, welches eigentlich einen seriösen Ruf hat. Ich habe aber immer wieder zu hören bekommen:" Da waren schon Leute von XYZ TV da und die haben alles verdreht und anders dargestellt, als wir es gesagt hatten. Wir sagen jetzt gar nichts mehr. Man sollte also schon insgesamt aufpassen, wem man ein Interview gibt oder nicht. Jemand der regional ansässig ist, wird kaum unseriös arbeiten, da er schon wenige Tage später wieder in der Region arbeiten möchte.

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Frage: Wer profitiert von Ihrer Arbeit als Kameramann bei Unfällen oder Verbrechen?

Antwort: Es gibt eigentlich sehr viele, die von unserer Arbeit profitieren.
In erster Linie sind es natürlich die Zuschauer und Zeitungsleser. Wer stand nicht schon einmal im kilometerlangen Stau und fragte sich, was da wohl los sei. Plötzlich fährt alles wieder und man erfährt den Grund nicht. Hier helfen Fernsehbilder weiter.
Des weiteren die Unfallbeteiligten (oder Beiteiligten eines anderen Ereignisses), die aus unterschiedlichsten Motivationen, Fotos oder Videomaterial anfordern, sei es für die Versicherung oder zur privaten Erinnerung.
Darüber hinaus die Einsatzkräfte, die Feuerwehr z. B., zur Dokumentation ihrer Einsätze, ja sogar manchmal die Polizei selbst. Neulich sagte mir ein Polizist, dass er regelmäßig die Berichte bei Hit-TV.eu anschaut und einige Sachen erkennt, die man an der Unfallstelle manchmal nicht so gesehen hat. Es ist ja auch nachvollziehbar, ein Polizist sieht eine Unfallstelle mit anderen Augen als ein Journalist. Somit ergänzt sich das Gesehene.
Letztendlich ist die Berichterstattung auch ein Teil der Prävention. Je mehr man Bilder von Unfällen sieht, um so mehr werden Verkehrsteilnehmer auch zur Vernunft gerufen. Keiner möchte eingeklemmt aus einem Auto von der Feuerwehr schwer verletzt herausgeschnitten werden. Wenn durch meine Bilder nur ein Menschenleben gerettet werden konnte oder ein Unfall verhindert wurde, dann habe ich schon sehr viel erreicht

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Frage: Haben Augenzeugen eines Unfalles oder Verbrechens mit traurigen Folgen viel Verständnis für Ihre Arbeit als Kameramann?

Antwort: Dies ist sehr unterschiedlich und umfasst das gesamte Spektrum der Emotionen. Es gibt Leute, die finden es sehr befreiend, wenn sie ihr Erlebtes mitteilen können. Manchmal stehen einem da hinter der Kamera selbst die Tränen in den Augen und man versucht, zu trösten und zu helfen. Gerade Aufnahmen von abgebrannten Häusern oder anderen tragischen Ereignissen und hilfebedürftigen Menschen lösen oftmals eine Welle der Soldarität aus. Es gibt aber leider auch Leute, deren Emotionen gehen in die gegenteilige Richtung. Ich wurde auch schon bedroht und einmal habe ich eine Kamera eingebüßt. Das ist Gott sei Dank nicht der Regelfall. Inzwischen bin ich auch auf solche Leute eingestellt und zur Not lasse ich mich unter Polizeischutz stellen. Ich bin auf diese Leute jedoch nicht böse. Keiner kann sein Verhalten in menschlichen Extremsituationen voraussagen. Mir ist durchaus bewusst, dass der Verlust eines Anghörigen oder Freundes oder eines Hauses einen großen Schmerz auslöst, schließlich hatte ich auch schon Trauerfälle in der Familie und auch einmal einen Wohnungsbrand. Ich versuche in solchen Situationen, so diskret wie möglich zu arbeiten.
Der größte Teil der Leute denen ich begegne akzeptiert jedoch die Berichterstattung. Vor allem wenn man mit ihnen redet und auch auf sie zugeht. Es gehört zu Ereignissen nun mal dazu, dass darüber berichtet wird. Geschichtsschreiber und Chronisten gab es seit Menschengedenken. In unserer Zeit haben wir jedoch bessere technische Möglichkeiten als Kreide und Felsen, Feder und Papier oder Pinsel und Leinwand.

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Frage: Sie kommen als Erster an eine Unfallstelle und haben eine Kamera dabei, was tun sie als erstes?

Antwort: Selbstverständlich das, was jeder andere Bürger auch tun sollte. Ich verschaffe mir einen Überblick, rufe die Rettungskräfte, eventuell die Feuerwehr und die Polizei. Anschließend versuche ich, erste Hilfe zu leisten und kümmere mich um die Leute. Wenn die Einsatzkräfte dann eingetroffen sind, werde ich dann natürlich auch meiner Arbeit als Reporter nachgehen. Den Vorrang hat jedoch die Gefahrenabwehr und Hilfe und erst dann kommt die Berichterstattung

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Frage: Ernten Sie für Ihre Arbeit als Kameramann auch Anerkennung?

Antwort: Eine Anerkennung ist einerseits, wenn ein Ereignis von einer großen TV-Anstalt gesendet wird oder man ein Bild in der Zeitung sieht. Ebenso werde ich auch ab und zu angesprochen auf bestimmte Ereignisse. Ich freue mich ebenfalls, dass viele Einsatzkräfte meinen Beruf an sich anerkennen und ich ein Teil von ihnen bin. Bei einem Ereignis wird immer eine Maschinerie in Gang gesetzt. Ein Reporter ist ein kleines Rädchen davon, genauso wie der Polizist, der Feuerwehrmann oder der Notarzt. Jeder macht seinen Job so gut wie möglich. Jeder, der meinen Beruf kritisch sieht, sollte sich immer vor Augen halten, wenn Reporter kommen ist ein Ereignis bereits passiert und ein Reporter berichtet nur darüber. Er ist nicht für das Ereignis verantwortlich.

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Frage: Können Sie nach dem Filmen eines folgenschweren Unfalles zu nächtlicher Stunde noch gut schlafen?

Antwort: Dies ist eine Frage, die man nicht mit Ja oder Nein beantworten kann. Man sollte das Berufliche vom Privaten zwar trennen, das ist aber oftmals leichter gesagt als getan.. Auch Reporter sind letztendlich Menschen. In der Tat werde ich bestimmte Ereignisse niemals los und ich bekomme Gänsehaut, wenn ich daran denke. Ein Beispiel sind die Ereignisse beim Amoklauf in Erfurt, als ich im Auftrag eines großen TV-Senders vor Ort war, oder die große Flut in Sachsen. Es gibt aber auch andere Ereignisse, die einem nicht aus dem Kopf gehen. Ich hatte einmal, an einem 24.Dezember, einen Unfall auf der A4 gedreht, wo eine Familie mit Kind verletzt und getötet wurde. Man hat zwar die Leute nicht gesehen, aber die verpackten Weihnachtsgeschenke lagen auf der Autobahn verteilt, am Straßenrand stand ein blutverschmierter Kindersitz und daneben lag ein kleiner Teddybär und das zu Weihnachten. Nach feiern war mir an diesem Weihnachten nicht mehr zu Mute. Gerade wenn Kinder oder Jugendliche beteiligt sind, denkt man auch an die eigene Familie. Dies ist der schlimmste Fall, der eintreten kann, wenn ein Bekannter beteiligt oder betroffen ist. Dies hatte ich bereits einmal, als die beste Freundin meiner großen Tochter tödlich verunglückte. An der Unfallstelle hatte ich es gar nicht bemerkt, aber im Laufe des Tages erfuhr ich es, dass es das Mädchen war, dass oftmals bei uns zu Besuch war und mit am Kaffeetisch gesessen hat.
Insgesamt versuche ich das Gesehene aber zu kompensieren, in dem ich auch schöne Momente des Lebens drehe. Das Leben hat zwar seine Tiefen, aber es besteht ja glücklicher Weise nicht nur aus Unfällen und Katastrophen. Darüber hinaus teile ich viele meiner Erlebnisse mit, um die Sensibilität zu wecken, sich korrekt im Verkehr zu verhalten oder vorsichtig mit Gefahren umzugehen. Man lernt aus den Ereignissen und mein Fahrstil hat sich, seitdem ich diesen Job mache, sehr geändert. Auf Grund meiner Tätigkeit und der daraus gewonnen Erkenntnisse habe ich beispielsweise an meine ganzen Angehörigen Rauchmelder verschenkt und besitze natürlich auch selbst welche. Man kann oftmals mit etwas Vorsicht vielen Dingen aus dem Weg gehen und das Risiko mindern. Ich habe mir da einen Spruch zu eigen gemacht. Ich drehe Nachrichten, möchte aber selbst nie zur Nachricht werden.

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Die Fragen stellte Ernst Probst, Betreiber des Weblogs „Internetfernsehsender von A bis Z“ - http://internetfernsehen-von-a-z.blogspot.com

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